Schülerinnen und Schüler in beruflichen Schulen (ab 16 Jahre)
"Meine Zeit ohne" ist eine App-basierte niedrigschwellige, universalpräventive Maßnahme, die für Schülerinnen und Schüler von berufsbildenden Schulen entwickelt wurde. Das Konzept orientiert sich vor allem an dem Programm „Initiierte Abstinenz“ (Kalke, Raschke und Buth 2006) zur Selbstkontrolle im Umgang mit Gewohnheiten. Es baut auf der sozialen Lerntheorie und der Selbstwirksamkeitstheorie (Bandura) auf.
Im Zentrum des Programms steht eine „Challenge“, die auf die Gewohnheiten der Lernenden abzielt und durch Selbsterfahrung und Selbstverpflichtung eine zeitlich begrenzte Abstinenz erreichen möchte.
Die Teilnehmenden werden dazu animiert, sich freiwillig ein herausforderndes Ziel setzen, bei dem sie für einen Zeitraum von zwei Wochen auf ein Konsummittel (z.B. Tabak, Alkohol oder Cannabis) oder auf eine Verhaltensweise (z.B. Gaming, Glücksspiel, Streaming oder die Nutzung sozialer Medien) zu verzichten bzw. den Konsum spürbar zu reduzieren.
Die Umsetzung beginnt üblicherweise mit einer Einführung im Klassenkontext durch das pädagogische Personal der Klasse (45 Minuten, keine Fortbildung erforderlich, Material frei verfügbar). Hierzu kann ein kurzes Erklärvideo (eine Minute) eingesetzt werden.
Nach dem Download der kostenlosen App und dem Anmeldeverfahren (Registrierung mit Mail-Adresse und Passwort, Einwilligen der Datenschutzerklärung, Eingabe von soziodemografischen Informationen und zum bisherigen Konsumverhalten) können die Schülerinnen und Schüler ihre individuellen Herausforderungen festlegen. Dazu können sie aus mehreren möglichen Zielvorschlägen ihr individuelles Ziel auswählen oder in einer undefinierten Zielkategorie ein weiteres Ziel festlegen.
Die Teilnehmenden erhalten in den nächsten 2 Wochen täglich Push-Benachrichtigungen und werden um Feedback gebeten, ob sie ihr Ziel vom Vortag erreicht haben. Die Umsetzung des Ziels findet also größtenteils außerhalb der Schule statt.
Am Ende der 2 Wochen erfolgt ein Klassengespräch zum Abschluss. Dem pädagogischen Personal stehen hierfür ausgearbeitete Leitfragen zur Verfügung.
„Meine Zeit ohne“ ist auch in der gesamten Schule oder als Individual-Challenge (z.B. Einzelberatung in der Schulsozialarbeit) einsetzbar.
Institut für Therapie- und Gesundheitsforschung gGmbH
Prof. Dr. Matthis Morgenstern
Harmsstraße 2, 24114 Kiel
Tel: 0431 - 5 702 935
E-Mail: morgenstern@ift-nord.de
Pietsch B, Arnaud N, Lochbühler K, Rossa M, Kraus L, Gomes de Matos E, Grahlher K, Thomasius R, Hanewinkel R, Morgenstern M. (2023) Effects of an app-based intervention program to reduce substance use, gambling, and digital media use in adolescents and young adults: a multicenter, cluster-randomized controlled trial in vocational schools in Germany. IJERPH 2023; 20: 1970.
Hanewinkel R, Morgenstern M, Pietsch B, Leuckfeld S, Biedenweg F, Thomasius R, Arnaud N, Grahlher K, Weymann J, Kraus L, Hoch E, Lochbühler K, Gomes de Matos E, Rossa M (2023) Sachbericht zum Projekt „Prävention und Gesundheitsförderung an Berufsschulen mit dem Schwerpunkt Suchtmittelkonsum und internetbezogene Störungen von Auszubildenden – Meine Zeit ohne (MZo)“ Förderzeitraum 01.08.2019 - 31.12.2022. Verfügbar unter: https://www.meine-zeit-ohne.de
Morgenstern M, Pietsch B (o.J.) Kurzbericht des BMG-geförderten Forschungsvorhabens - Prävention und Gesundheitsförderung an Berufsschulen mit dem Schwerpunkt Suchtmittelkonsum und internetbezogene Störungen von Auszubildenden – Meine Zeit ohne (MZo). Verfügbar unter: https://www.bundesgesundheitsministerium.de/fileadmin/Dateien/5_Publikationen/Praevention/Kurzberichte/Anlage_1_Kurzbericht_Meine_Zeit_ohne_bf.pdf
Pietsch et al. 2023:
Die Studie überprüfte die Wirksamkeit der Intervention mittels randomisiert-kontrollierten Designs ohne FollowUp-Untersuchung (Vorher-Nachher-Befragung). Es wurden Schülerinnen und Schüler aus 277 Berufsschulklassen (138 Interventions- und 139 Kontrollklassen) in Schleswig-Holstein, Hamburg und Bayern befragt. Die Zuordnung der paarweise gematchten Klassen in die Interventions- oder Wartekontrollgruppe erfolgte per Zufall. Die Lernenden der Interventionsklassen konnten individuell über die Teilnahme an der Challenge entscheiden. Die Nachher-Befragung fand 30 Tage nach Ende der Challenge statt. Als vorrangige Ergebnismaße wurde das Konsumverhalten zu Zigaretten/E-Produkten, Alkohol, Cannabis, soziale Medien, Videospielen sowie Glücksspiel in den letzten 30 Tagen erfasst. In die Auswertung konnten Daten von 2861 Lernenden einbezogen werden; wobei in der Interventionsgruppe von 1458 Lernenden 735 die App nutzten. Als Ergebnis ergab sich bei Lernenden aus Interventionsklassen signifikant häufiger eine Reduktion der Social-Media-Zeit von mindestens 20 Minuten sowie eine positive Veränderung (Reduktion oder Abstinenz) in einem der Konsum- und Verhaltensbereiche.
Hanewinkel et al. 2023; Morgenstern und Pietsch o.J.:
Außerdem erfasste sich die Begleitstudie auch die Durchführbarkeit und Akzeptanz der Maßnahme (Prozessevaluation). Ein Großteil der befragten 46 Lehrkräfte beurteilte die Maßnahme als geeignet für das Berufsschulsetting, die Altersgruppe, Arbeitsumwelt und Eigenverantwortung der Lernenden. Von einem überwiegenden Anteil der Lehrkräfte wurden die Projektmaterialien als nützlich (mit gut bis sehr gut) bewertet, wobei die erklärenden Videos am besten abschnitten.
Auf Seiten der Lernenden wurde die Akzeptanz als zufriedenstellend bis hoch eingestuft. Etwa die Hälfte wurde die Teilnahme an der Challenge weiterempfehlen. Technische Probleme mit der App traten bei rund einem Zehntel der Befragten auf und die Nutzerfreundlichkeit wurde knapp der Hälfte als sehr gut bzw. gut eingestuft.
Die Programmanbietenden helfen bei Fragen zu Durchführungsmöglichkeiten oder technischen Fragen.